Prof. Dr. Detlef Stern

Markdown Lock-in

Schreibt jemand über Markdown, dann wird gerne auch erwähnt, dass einer der Vorteile von Markdown dessen Portabiltät sei. Die Markdown-Texte würden sich ohne größere Probleme von einem Produkt in ein anderes übertragen lassen. Markdown als verbindende (Computer-) Sprache.

Gerade flattert mir ein Fediverse-Post herein:

I can't install #obsidian on my work laptop because of its license. Are there any other note taking apps that can handle or import an obsidian vault? I haven't found anything similar to obsidians #dataview and #templater plugins which I use heavily.

#zettelkasten #notetaking

Wahrscheinlich hat die bedauernswerte Person das Marketing von Obsidian gelesen:

Your knowledge should last.

Obsidian uses open, non-proprietary files, so you're never locked in, and can preserve your data for the long term.

Das Problem ist nur, dass dies offenbar nicht gilt, nutzt man eine der Erweiterungen, aka Plugins.

Aber selbst das ganz normale, plugin-freie Obsidian nutzt nicht Markdown oder CommonMark, sondern einen eigenen Dialekt namens Obsidian Flavored Markdown. Schaut mal dort im Handbuch nach. Sprich, selbst wenn man das Problem mit den Plugins löst, besteht die Möglichkeit, dass man nicht Markdown, sondern einen der vielen Spezialdialekte verwendet.

Nichts mehr mit der gedachten Portabiltät, wie ich schon vor knapp vier Jahren schrieb: Markdown (leider).

Natürlich hält sich meine Schadenfreude in Grenzen. Ich selbst kann mich nur deshalb entspannt zurücklehnen, weil ich mit Zettelstore eine eigene Software selbst programmiert habe. Die nutzt ein eigenes Format. Auch, um damit Dinge möglich zu machen, die mit Markdown nicht möglich sind. Markdown ist nur eine partiell nutzerfreundlichere Variante von HTML, aber immer auch HTML. Zudem lässt sich ein Einlese- und Analyseprogramm für Markdown nicht einfach programmieren. Ich hoffe, dass „mein“ Zettelmarkup wesentlich einfacher auch von unbedarfteren Entwicklern mit Hilfe von anderen Programmiersprachen eingelesen und analysiert werden kann. Aber das ist nur eine offene Wette, deren Ergebnis nicht zu relevant ist.

Die Probleme mit Markdown sind dagegen in obigem Post wunderbar beschrieben.

Ein anderer Aspekt, der in diesem Post auch angerissen wird, ist das Lizenzmodell dieser speziellen Software. Für private Zwecke kostet die Verwendung nichts, wohl aber in einem kommerziellen (also: nicht-privaten) Umfeld. Auf den Post gab es auch die Antwort, dass es wahrscheinlich einfacher sei, die Lizenzkosten zu zahlen. Man könne die wohl auch hier und da von der Steuer als betriebliche Ausgaben absetzen.

Mir war das bis vor kurzem auch nicht klar: der vollständige Quelltext dieser Software ist nicht frei verfügbar. Es gibt zwar einige GitHub-Repositories, aber nur um Daten nach Obsidian zu importieren, um einfacher dessen API zu nutzen, verschiedene Dokumentationen, zur Hilfe bei der Anpassung an andere Sprachen und ein Beispiel, wie man selbst Plugins programmieren kann.

Diese Entscheidung ist das gute Recht der Autoren / Verwerter der Software. Legt man als Nutzer Wert auf Langlebigkeit (die auch einmal zu definieren wäre), so besteht das Risiko, dass z.B. der Anbieter der Software sein Werk vom Markt nimmt und wir dann mehr solche Post wie den oben zu lesen bekommen.

Um nicht missverstanden zu werden: ich bin in keiner Art und Weise von dem relativen Erfolg dieser (und anderer) Software betroffen, auch wenn sich Zettelstore eine ähnliche Motivation implementiert, die von den Hersteller der anderen nur versprochen wird. Im Gegenteil, ich muss mich nicht mit Tausenden Support-Anfragen herumschlagen, die meistens wohl doch nur schlecht programmierte Plugins betreffen. Und ich habe als Nutzer meiner Software einen langfristigen Vorteil, wenn auch keinen kurzfristigen. Ich (und meine Handvoll Nutzer) habe ein geringeres Risiko, dass die Texte auf den Zetteln schwer zugreifbar sein werden. Und zur Not darf jede Person die Software selbst an eigene Bedürfnisse anpassen, dank einer freien Lizenz.

In diesem Sinne sehe ich die relative Begeisterung für eine Software wie Obsidian eher als Ausdruck einer Art Stockholm-Syndrom an. Trotz des gerne von anderen gut und viel gelobten Markdowns muss man für die eigenen langfristig dort abgespeicherten Daten an der Software auf Gedeih und Verderb festhalten.

Deshalb: Markdown Lock-in.