Die lange Woche vom 25.9.23
Neues Semester, neues Glück. Na ja, eher neue Vorlesungszeit. Das Semester hat ja offiziell schon am 1.9. begonnen. Und Hochschule ist nicht das ganze Leben. Auch wenn es seit dieser Woche wieder meine Zeit strukturiert.
In diesem Semester bin ich wieder DiMiDo-Professor. Montags und Freitag habe ich keine Lehrveranstaltungen. Montag war sowieso vorlesungsfrei, da Erstsemester ankommen. Dieses Mal recht viele, trotz konservativer Zulassung. Es wollten diesmal mehr in unserem Studiengang Wirtschaftsinformatik studieren. Ob das einen künstlichen Hintergrund hat? An diesem Tag ist für andere mehr zu tun, ich bereite mich auf Dienstag vor und übe mich in Empathie für jene, die mit den Erstsemestern unmittelbar zu tun haben.
Dienstag, 9.45 Uhr, erste Lehrveranstaltung, Einführung in das Projektmanagement. Für uns alle die erste Lehrveranstaltung seit Monaten. Wie ging das noch mal mit diesen „Vorlesungen“? Wieder Agiles Studieren, wieder Gruppeneinteilung, wieder 10 Gruppen, aber sonst einiges anders. Die letzten beiden Semester hat Heinrich Kümmerle als Lehrbeauftragter einige Studierende übernommen. Zu erfolgreich? Dieses Semester wollen nur noch knapp 70 Studierende an der Veranstaltung teilnehmen. Wie üblich ist die initiale Motivation groß. Mal sehen, ob die Studierenden auch ihre Hausaufgaben zum nächsten Mal machen.
Danach wider Erwarten nicht nur eine Stunde Pause, sondern zwei. Ah, der neue Kollege hat quasi meinen Zeitslot bekommen. Der andere neue Kollege, der nicht ganz so neu ist, weil Absolvent, ist nun doch mein Bürogenosse geworden. Ursprünglich war die Genossenschaft von Hierarchieseite als vorübergehend avisiert. Nichts ist so beständig, wie das vermeintlich vorübergehende. Wir werden nette Gespräche haben.
Dann Projektstudie für Viertsemester. Deren erste Projektstudie. Wie üblich mit einigen Fragezeichen im Gesicht. Ergebnis: zwei Gruppen, zwei Themen, etwas mehr Einsicht. Wie üblich war die initiale Motivation vorhanden. Mal sehen, ob die Studierenden auch ihre Hausaufgaben zum nächsten Mal machen.
Dann nach Hause geradelt, schönes Wetter. Dort bin ich etwas später einfach so ins Bett gefallen. Diese Lehrveranstaltungen nach drei Monaten Pause sind dann doch etwas anstrengend, auch für mich. Mitsamt den sechs, sieben Stunden Stehen. Ungewohnt.
Mittwoch, 8 Uhr, die Frisur hält. Wie schon angedeutet mache ich das Fach „Softwaretechnik“ dieses Semester alleine, sowohl Vorlesung (wie bisher), als auch Labor (neu). Für das Labor kann ich noch nicht einschätzen, was die Studierenden pro Zeiteinheit leisten können. Da ist flexible Planung gefragt, nichts mit agil, auch nichts mit postagil. Immerhin wurde ich nun endlich mal gezwungen, eine kleine einführende Präsentation für die Idee des Zettelkastens im Allgemeinen und für den Zettelstore im Besonderen zu erstellen und zu halten. Für den ersten Wurf fand ich diese grob in Ordnung. Lieblingsfrage aus dem Auditorium: „Und was schreibe ich auf diese Zettel?“ Deshalb wird das Labor wichtig. Im Theorieteil haben die wenigsten Schwimmen, Fahrrad- oder Autofahren gelernt. Die praktischen Übungen, die ersten ersten Schritte verliefen dafür ganz gut. Schon ein komisches Gefühl, wenn auf einmal mehr als 50 Personen die eigene Software herunterladen und installieren. Und bei fast allen hat es auf Anhieb geklappt. Verspricht einiges für kommende Woche. Mal sehen, ob die Studierenden auch ihre Hausaufgaben zum nächsten Mal machen.
Nach einer kurzen Pause etwas Selbstverwaltung, also Fakultätsratssitzung. Ein Wort, das es so nur im Deutschen geben kann. Berichte aus der Fakultät und den Studiengängen. Fun fact: mit sechs Professor:innen, von denen die Hälfte teilweise erhebliche Deputatsreduktionen haben, wuppen wir mehr Erstsemester als der bisher größte Studiengang, bestehend aus elf (?) Professor:innen. Qualität bleibt vergleichbar. Wie das wohl wird, wenn die drei offenen Stellen besetzt sind? Ansonsten geht es bei der Sitzung um die anstehenden Wahlen in geplant zwei Wochen. Sehr unterhaltsam und manches gelernt.
Dann nach Hause geradelt, schönes Wetter. Dort bin ich etwas später einfach so ins Bett gefallen. Diese Lehrveranstaltungen und Sitzungstermine nach drei Monaten Pause sind dann doch etwas anstrengend, auch für mich. Sechs, acht Stunden permanente Aufmerksamkeit. Ungewohnt.
Donnerstag war entspannend, im Verhältnis. Projektstudie, aber siebtes Semester. Diese Studierenden kennen das Prozedere schon. Ich langsam auch wieder. Wir alle hatten diese drei Monate Pause. Die initiale Motivation war in beiden Gruppen etwas unterschiedlich. Beobachten, wie sich das entwickelt. Mal sehen, ob die Studierenden auch ihre Hausaufgaben zum nächsten Mal machen.
Danach ein Highlight der Woche: Treffen zum Essen mit Heinrich Kümmerle. Auch er vermisst seine Lehrveranstaltung. Das könnten wir zum kommenden Sommersemester mutmaßlich ändern. Ansonsten schon lange über viele kleine nerdige Themen beim Lieblingsitaliener gesprochen. Diese Auszeit gefiel uns beiden. Da wir beide auch Vorlesepaten in der gleichen Schule und sogar zur gleichen Schulstunde sind, bietet sich eine Verstetigung an.
Danach nach Hause gefahren, schönes Wetter. Und beschwingt viele Mails bearbeitet, Abschlussarbeit (weiter) gelesen, am Zettelstore herumgebastelt, ergogerudert. Wer weiß, vielleicht schreiben Heinrich Kümmerle und ich mal zu letzterem einen gemeinsamen Post.
Freitagvormittag weitergebastelt, gemailt, geprofessort. Um 14.00 Uhr begann der Fakultätsworkshop, wobei work wörtlich zu nehmen ist. Wir haben auch jenseits unseres Studiengangs in der Fakultät einige neue Kolleg:innen dazugewonnen. Zwei Kolleg:innen aus der Fakultät haben daher eine arbeitsreiche, anstrengende Aufgabe vorgegeben, die wir gemeinsam lösten. Gut, nicht alle aus der Fakultät waren dabei. Tatsächlich haben auch noch einige abgesagt, was aber der gemeinsamen Aufgabenbewältigung keinen Abbruch trug. Wir lernen uns kennen.
Die Aufgabe war ganz einfach: für die Waldpaten Heilbronn entfernten wir einen Zaun zum Schutz vor Verbiss- und Fegeschäden. Vor zehn Jahren wurde der Aushub vom Ausbau eines Gewerbe- und Industriegebietes, bestehend aus fruchtbarem Boden, nicht als Autobahnschallschutzwand verwendet, sondern in den Stadtwald gebracht, und dann mit jungen Bäumen aufgeforstet. Jetzt ist der Zaun überflüssig, hier und da droht sogar Verletzungsgefahr für Tiere. Im Laufe des erweiterten Nachmittags entfernten wir ca. 150–200 Meter Drahtzaun, immer wieder verwachsen mit seiner Umgebung. Der Leiter des Amtes für Forstwirtschaft, Herr Schmutz, versorgte uns mit Werkzeugen und Erläuterungen zum Thema Wald. Neben unserer Arbeit unterhielten wir uns über alles mögliche, z.B. Vorlesepatentätigkeit, Tratsch, Rudern, Radfahren, Obstanbau, Photovoltaikanlagen, … Zum Abschluss gab es von den Waldpaten in Person von Herrn und Frau von der Herberg gegrillte Würste, Camembert & Co. Gekühlte Getränke waren auch vorhanden, Bierbänke auch, und so vertieften wir unsere Gespräche. Zum Abschluss, die meisten waren schon losgegangen, recycelten wir das mitgebrachte Wasser, gossen die Hochschulpflanzen, räumten alles auf und ein, genehmigten uns noch ein Fläschchen, klönten und fuhren in der Dämmerung nach Hause, schönes Wetter, es ging im Dunkeln brav bergab.
So konnte ich noch locker rechtzeitig etwas Rugby im Fernsehen schauen. Neuseeland gegen Italien, versprach ein spannendes Spiel zu werden. Wurde es aber nicht, war trotzdem sehr unterhaltsam. Wer agile Methoden wie Scrum einsetzt, sollte mal ein Scrum (Gedränge) gesehen haben. Und auch sonst ist Rugby, leider hierzulande eine Randsportart, einer wirkliche Mannschaftssportart. Fußball ist Individualsport dagegen. Die Weltmeisterschaft soll angeblich das drittgrößte Sportevent sein, nach Olympischen Spielen und Fußball-WM. Mal sehen, ob die Studierenden auch ihre Hausaufgaben zum nächsten Mal machen.
Samstag war Pflege angesagt, Ruhe, Rudern, Lesen.
Dafür heute am Sonntag noch die erfreuliche Nachricht, dass ich im nächsten Jahr auch mal mein passives Wahlrecht ausüben kann. Dabei bin ich in keiner Partei oder Wahlvereinigung Mitglied. Daher bin ich nur auf Position 36 (von max. 40) der Liste der Freien Wähler Stadtverband Heilbronn. Stört mich aber nicht. In den Gemeinderat kann ich trotzdem gewählt werden und/oder (theoretisch) einige auf den Positionen vor mir überholen. Ist aber nicht mein Ziel, wäre eher Zufall. Mir geht es mehr um den Perspektivwechsel. Und um das Einbringen von vielen Aspekten der Informationstechnologie in das Verhältnis Bürger:innen/Stadt. Da läuft mir zu vieles auf frag-würdigen Ebenen in frag-würdigen Richtungen ab. Ich bevorzuge Fakten, aktives nachhaltiges Tun, statt Hype, Schein und Eventismus.
Und bevor jemand ob der Worte „Freie Wähler“ zuckt: die Freien Wähler Stadtverband Heilbronn sind Teil des Landesverbandes Baden-Württemberg, beides Vereine, keine Partei, mit Fokus Kommunalpolitik. Im Gegensatz dazu ist die „Landesvereinigung Freie Wähler Bayern“ eine Partei mit aus meiner Sicht sehr fragwürdigen, populistischen Inhalten, besonders kommuniziert durch deren Vorsitzenden. Diese Partei hat den Fokus auf die Landespolitik, nicht für Bürger:innen in den jeweiligen Gemeinden und Städten. Nicht nur die letzten Äußerungen des großen Vorsitzenden dieser Partei haben mich persönlich abgestoßen.
Mit gefällt das Konzept der Freien Wähler Stadtverband Heilbronn, wie auch ähnlicher Vereine, dass diese für die jeweilige Stadt oder Gemeinde etwas konstruktives bewegen wollen, bei aller Diversität der Meinungen. Erhalt von Pfründen (als Nicht-Partei erhält man keine staatliche Finanzierung), Klammern an die Macht ist keine Option.
So oder so bin ich mal gespannt, wie das mit dem passiven Wahlrecht funktioniert.
Ja, die langen Wochen hat es lange ich gegeben. Wird es wohl auch in Zukunft nur sporadisch geben. Es gibt nicht so vieles, was extern berichtenswert ist. Vieles bleibt im Zettelstore, manches wird in einem wissenschaftlichen Aufsatz versteckt. Erwartungsmanagement.