Prof. Dr. Detlef Stern

Heilbronner Land

Dieses Wochenende waren wir ein wenig in Heilbronn und Umgebung spazieren. Am Samstag ging es in die Heilbronner „Innenstadt“. Meine Frau erzählt mir dann immer gerne, wie häufig Ihre Familie früher™ von Ludwigsburg nach Heilbronn fuhr, um dort gut einzukaufen. Heute sind in so gut wie allen Städten nur noch Filialisten, Optiker und Dönerbuden zu finden. Kennt man eine, kennt man alle. Hohe Mieten und Onlinehandel sei Dank.

Hier und da findet man inzwischen aber kleine Schilder, die auf eigene Online-Shops hinweisen. Ob ich die wirklich finden und dann auch dort einkaufen würde, ist etwas ganz anderes. Aber hier und da findet man noch einen kleinen Laden jenseits des Einheitsbreis. Heinrich Kümmerle verwaltet hierzu eine nette Übersicht.

Nach einem kleinen Eis wollten wir uns einmal wieder das Gelände der ehemaligen Bundesgartenschau ansehen. Der Weg bedarf immer etwas Planung, denn das Gelände ist so etwas wie die Insel der schwarzen Glückseligkeit. In einer sehr autofreundlichen Stadt wie Heilbronn muss man dazu fast immer sehr befahrende Straßen entlang gehen, oder ausreichend Ortskenntnisse mitbringen. In diesem Fall wäre auch ein Paddelboot nicht falsch gewesen, aber das Wetter war nicht danach. Den kleinen Schleichweg hinter dem Eisstadion kann man nehmen, sollte aber an der etwas zu engen Stelle auf rasende Radfahrer aufpassen. Der andere Weg führt für Fußgänger etwas ungünstig an der von der Straße zum Radweg umgebauten Kranenstraße entlang.

Ja, und die Brücke, die schon zur Bundesgartenschau 2019 (!) fertig sein und den Bahnhof mit dem Gebiet verbinden sollte, die ist noch nicht fertig. Die lokale Zeitung titelte schön „der langsamste Blitz“, hat das Objekt aber wohl selbst verdrängt. Wie fast alle in Heilbronn. In Vorbereitung zu unserem kleinen Ausflug recherchierte ich etwas. Die letzten Treffer waren vom September 2022. Vor einem knappen Jahr spendierte die Heilbronner Regierungspräsidentin der Stadt noch etwas Landesgeld für die Brücke. Vermutlich weil die übliche Kostensteigerung nicht eingeplant wurde.

Einerseits habe ich vor dem Bau von Brücken fachlichen Respekt. Da gibt es einiges an Schwingungen zu beachten, die man auch nur teilweise simulieren kann. Andererseits sind die Eigenschaften der verwendeten Materialien bekannt. Weshalb eine Brücke mindestens fünf Jahre später als geplant fertiggestellt wird, erschließt sich mir nicht. Vielleicht sollte man die Brücke nicht „BUGA-Brücke“ nennen, denn mit der Bundesgartenschau hat sie nichts zu tun, außer dem peinlich falsch geplanten Fertigstellungstermin. Aber vielleicht braucht sie auch keinen Namen, wenn sie dann doch Jahrzehnte später schrottreif und unfertig abgerissen werden muss. In diesem Sinne kann ich mir auch gut vorstellen, dass keine Person mit dieser Brücke identifiziert werden möchte. Obwohl, mir fallen da einige passende Personen ein.

Möglicherweise erbarmt sich die hiesige schwarze Seite der Macht der Brücke. Denn wenn erst die schwarze Schule fertig gestellt ist, werden die ganzen Hubschraubereltern feststellen, dass dort die Landeplätze belegt sind und der Fußweg des Nachwuchses vom Hauptbahnhöfchen zu lang und gefahrenvoll ist.

Apropos Hubschraubereltern. Heute waren wir in Talheim zum Faschingsumzug. Nach langen Jahren des Darbens, Virus sei Dank, zog es viele in das Städtchen südlich von Heilbronn. Ich schau mir solche Umzüge ab und an mal an, schwärme aber nicht dafür. Das macht die Liebste. Entsprechend voll war es. Wir ergatterten einen Platz hinter einigen Lütten mit ihren Eltern. Die Lütten fanden einiges ganz nett, ihre Eltern waren eher verbissen. Die Schlacht um die Bonbons. Die Eltern schubsten den Nachwuchs los, die Bonbons einzusammeln, als ob es kein Morgen gibt und das Überleben von Lollis abhängt. Aber wehe, ein Lolli war zerbrochen. Der muss dann natürlich entsorgt werden. Wie die Lütten wohl in 20 Jahren mit ihren Lütten umgehen werden? Was wohl passiert sein muss, dass Eltern heutzutage mit ihren Kinder so umspringen?

Manche Kostüme waren recht nett, einige im Umzug gaben sich viel Mühe. Man sieht, dass einige Vereine Schwierigkeiten haben, aktiven Nachwuchs zu bekommen. Gibt es auch bei vielen anderen Vereinen, auch bei denen mit Zukunftsbezug. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb mich die Atmosphäre ein wenig an Ballermann erinnert. Wenn schon Vereine keine Struktur bieten, dann doch der gemeinsame Urlaub.

Im letzten Post schrieb ich etwas über Infrastruktur. Heute bekam ich einiges von fehlender Infrastruktur mit. Das kleine Talheim wurde von unzähligen Autos heimgesucht. Von Ferne, wir kamen zu Fuß über den Haigern, sahen diese in der Sonne wie glitzernde Tautröpfchen im Spinnennetz der Straßen aus. Je näher wir dem Veranstaltungsort kamen, desto mehr wurde daraus ein Verdrängungswettbewerb. Da kann sich Heilbronn und Umgebung noch so sehr mit vermeintlichen Fahrrad- und Fußgängerauszeichnugen schmücken, hier ist Autoland. Kein Fußgängerland, kein Fahrradland, kein Digitalisierungs- oder gar KI-Land. Autos haben Vorrang, alles andere maximal ein Feigenblatt. Jenseits aller Erkenntnis, denn Politiker wollen sich wählen lassen und hier sind viele rund ums Auto beschäftigt, oder hegen im schwarzen Umfeld ihren Auto-Fetisch.

Gestern wollten wir dann doch nicht den Weg über die nicht freigegebene Nicht-BUGA-Brücke nehmen und hatten Glück, dass eine Bushaltestelle in der Nähe war, an der zufällig in 10 Minuten ein Bus hielt. Wie alle Verkehrsverbünde scheint auch der hiesige von etwas, hmm, Beharrungsvermögen gekennzeichnet zu sein. Manche mögen das für Unfähigkeit halten, oder für Langsamkeit. Da werden neue Gebiete erschlossen, ein Bildungscampus gebaut, aber der Verkehrsverbund ändert dazu nichts. Böse unterstellt, weil auch bei den Römern dieser Weg nicht mit dem Bus bedient wurde. Auch nach drei Jahren gibt es weder eine durchgehende Buslinie zwischen den beiden Heilbronner Standorten meiner Hochschule, noch ein Fahrradweg. Nun ja, gestern war ja Happy End.

Heute dagegen nicht. Wir wollten nicht mit dem Auto nach Talheim fahren. Mitfahrgelegenheiten gab es leider doch nicht. Aber es gibt ja eine Buslinie direkt nach Talheim. Und da die Römer in Talheim keinen Faschingsumzug veranstalteten, sah auch niemand im Verkehrsverbund die Notwendigkeit, das kleine 30-Personen-Mini-Bus-chen nur an diesem Tag durch einen etwas häufiger als üblich (normal ist ein 1-Stunden-Takt, leider) fahrenden normalen Bus zu ersetzen. So fuhr ein mit einer Sardinendose zu verwechselnder Minibus ohne Halt an unserer Haltestelle vorbei. Verkehrssicher schien mir das nicht zu sein. Offenbar hat der Verkehrsverbund einen Deal mit den hiesigen Taxiunternehmen. Die anderen ca. 15 Personen, die mit uns warteten, telefonierten sich verdächtig vertraut Taxis.

Wir spazierten nach Hause, zum heimischen Auto, und fuhren auf den Haigern. Zum Glück hatte kaum jemand die gleiche Idee. Der Spazierweg nach Talheim und zurück tat uns und dem Hund ganz gut. Heute wird nicht gerudert.

Es scheint noch länger zu dauern, bis Transportinfrastruktur nicht mehr zu sehr vom Massenindividualitätsverkehr abhängt. Besonders im Heilbronner Autoland.