Prof. Dr. Detlef Stern

Die lange Woche vom 12.12.22

Auf viele Erkältungen ist Verlass. Pünktlich zum Wochenbeginn klang meine etwas ab. Also viel weniger Schniefdelirium.

Den Montag hatte ich mir sicherheitshalber relativ frei gehalten. So konnte ich das Release Zettelstore 0.9.0 veröffentlichen. Und natürlich war ich als braver Beamter nicht untätig und habe, wie von mir verlangt, die allgegenwärtige Bürokratie bedient.

Dienstag mal wieder „Einführung in das Projektmanagement“. Von potentiell 60 Studierenden waren gerade mal 15 anwesend. Kaum jemand hatte Fragen, die meisten wollten angeblich mit ihren Gruppen gemeinsam an den Themen des Projektmanagements beim Agilen Studieren arbeiten. Ein klarer Fall, dass da etwas nicht stimmen kann. Auf meine Rückfrage hin, wurden meine Befürchtungen verneint. Gut, sind ja alles erwachsene Menschen. Angeblich, aber auf jeden Fall aus juristischer Sicht.

Tatsächlich bestätigten sich meine Befürchtungen am Freitag, als ich die Lösungsvorschläge der Gruppen bewertete. Die Erfolgsquote der Gruppen lag bei durchschnittlich 45%, mit einem Maximum von 56%. Das bisherige Maximum der Erfolgsquote liegt bei 83%. Die meisten Gruppen bearbeiteten die Themen viel zu wenig angemessen. Und dazu wurde von den anderen Gruppenmitgliedern diese Bearbeitung zu unkritisch zugestimmt. Vorhandene Fähigkeiten, wie das halbwegs vernünftige Erstellen eines Projektstrukturplans, scheinen verschwunden.

Mir ist nicht klar, woran das liegt. Vielleicht an der allerorts angeblich steigenden Weihnachtsseligkeit, unabhängig von Religion und Glauben? Oder an den paar Bonuspunkten, die in den Themen versteckt sind? An dem Cybercybervorfall an der Hochschule? Letzterer wäre auf jeden Fall eine bequeme Ausrede, denn das eigene Denken sollte durch ungenügenden Internetzugang nicht zu sehr beeinträchtigt sein. Andernfalls hätten viele ganz andere Probleme.

Nun ja.

Am Freitag unterhielt ich mich noch mit Heinrich Kümmerle. Wie er in seinem Post von heute gut festhielt, scheinen nicht nur Hochschüler Probleme mit ihrer Bildung zu haben, allen schwarzen Bildungsanstrengungen zum Trotz. Vielleicht ist Einwanderung eine Lösung, um die Stellen besetzen zu können, für die eine gewisse Qualifikation nötig ist. Die anderen erledigen die Aufgaben, die früher den Einwanderern zugewiesen wurde, sofern diese Aufgaben nicht bald wegautomatisiert werden. Aber ich bleibe optimistischer als Heinrich. Natürlich klönten wir nicht nur darüber. Auch über aktuelle Sprachmodelle, die manche für intelligent halten. Oder über „bemerkenswerte“ Geräte, wie einen eWriter.

Aber dann mussten wir weiter. Er zu einer Krisensitzung. Ich zu einer Online-Gremiensitzung. Kaum etwas ist schlimmer. Im Vergleich dazu war sogar die Fakultätsratssitzung am Mittwoch vergnügungssteuerpflichtig. Auch nach zig Jahren scheinen viele Kolleg:inn:en noch nicht die Besonderheiten solcher Online-Sitzungen zu kennen. Aber wie bei allen Sitzungen, auch in physischer Präsenz, scheint es immer welche zu geben, die ihre gefühlte Wichtigkeit meinen betonen zu müssen. Zum Glück kann man auch mal auf stumm stellen.

Mittwoch. Fakultätsratssitzung. Entgegen der Agenda verlief diese fast straff organisiert, was ich nicht schlecht finde. Hätte man pünktlich begonnen, hätte man sogar den geplanten Endzeitpunkt eingehalten. Erkenntnisse? Einige. Fallen aber meist unter das Dienstgeheimnis. Bis auf: Geschichte wiederholt sich mal im kleinen. Ursprünglich geplant war der Zusammenschluss zweier größerer Einheiten zu einer neuen Einheit. Tatsächlich wird das ein Assimilieren mancher kleiner Einheiten in die größere Einheit.

Mittwoch. Zettelkastenrunde. Diesmal mit etwas weniger Beteiligung. Manche sagten ab, manche nicht. Ist ja informell. So waren wir zu fünft. Diskutierten über einen möglichen Podcast und eine Art Mailingliste. Den Rest der Zeit nutzten wir, um über unsere Verzettelungsbedürfnisse und -lösungen zu berichten. Mir gefällt an der Zettelkastenrunde auch, dass wir den großen Spagat aushalten: Anfänger mit ein paar Zettelchen, bis hin zu Langzeitverzettlern mit einer Zettelanzahl im fünfstelligen Bereich. Am 4.1.23 ist von 18-19 Uhr die nächste Runde. Alle müssen Hausaufgaben machen.

Donnerstag. Projektstudie, 4. Semester. Wenig Fragen, die meisten fahren auf Sicht. Ähnliches Gefühl wie beim Fach Projektmanagement. Nur das Feedback kam nicht diese Woche. Was wohl nächste Woche präsentiert wird?

Donnerstag. Kolloquium. Alles Vorstellungspräsentationen, geplante Abschlussarbeiten. Wer dort auch immer präsentierte, vergaß einen wichtigen Schritt beim wissenschaftlichen Arbeiten: Validation der Ergebnisse. Immerhin waren die Problemstellungen vernünftig und meist nachvollziehbar präsentiert. Unabhängig von diesen Präsentationen frage ich mich, weshalb so viel auf Formalien geachtet wird und so wenig auf den Inhalt. Klar, ein Plagiat oder ungenaues Zitieren ist ein formaler Aspekt, der auch zu Abzügen in der Note führt. Bevor man etwas abziehen kann, muss etwas vorhanden sein, der Inhalt. Wie in vielen Bereichen beschleicht mich der Verdacht, dass viel zu viele nur in der Lage sind, Formulare auszufüllen, vorgefertigte Schablonen für das eigene Denken. Ist kein spezifisches Problem der Studierenden im Studiengang, ist viel allgemeiner. Was es nicht besser macht.

Dienstag. Seminar. Hier zeigt es sich, dass es besser gehen kann. Einige präsentieren ihre Inhalte. Andere geben Rückmeldungen, Feedback, Tipps. Und für das Formale treffen sich alle separat, damit das nicht jeder einzeln machen muss. Ja, genau so! Lieblingsveranstaltung.

Und sonst?

Etwas Schnee hat sich nach Heilbronn verirrt. Mit dem Pedelec klappt das recht gut, wenn man sich angemessen anzieht. Am ersten Tag waren die Handschuhe dünn, die Finger kalt. Unsereiner lernt.

Ob die Stadt Heilbronn lernen kann? Offenbar wurde noch nicht an alle Abteilungen kommuniziert, dass die Kranenstraße zwar ein Fahrradweg ist (was manche Fußgänger nicht wissen / wollen), man aber diese Nicht-Auto-Straße trotzdem besser räumen sollte. Dank der Kombination von leichtem Tauwetter mit anschließendem Frost befahre ich diesen Weg sicherheitshalber nicht. Oder wartet die Stadt Heilbronn, dass der schwarze Teil aktiv wird?

Dieser schwarze Teil kann es auch nicht unbedingt besser. Am Bildungsdisneyländcampus gut zu beobachten. Wenn Flächen mit glatten Steinplatten zugepflastert werden, dann wird es bei Schnee und Eis, hmm, interessant. Anscheinend soll der Campus absichtlicherweise immer aufwändig gepflegt werden. Bauarbeiten sind immer noch nicht abgeschlossen. Ständig muss geputzt, gebohrt, gewienert werden. In Absprache mit wem auch immer (ein Schelm weiß mit wem), um manuellen Aufwand zu generieren? Als Auffangnetz für diejenigen mit Bildungsproblemen, siehe oben?

Bei Kälte bringt es noch weniger Spaß, mehrere Phasen an einer für Fußgänger und Radfahrer roten Ampel zu stehen, während kaum Autos die Straße benutzen. Und wieso muss man am Europaplatz explizit per Schalter auf der Fußgängerseite Grün anfordern? Damit man das an der zweiten Ampel wieder machen muss? Jenseits aller Gerüchten oder gar Auszeichnungen: Heilbronn ist fest in Hand der Autofahrerlobby. Und ja auch ich fahre manchmal Auto.

Dabei sollte doch in Bezug auf Europa für die Menschen alles auf Grün stehen, nicht für mobile Maschinen.